22.11.2007
Greven Ganz vorsichtig nähert er sich dem Aufsatzschrank aus dem 17. Jahrhundert mit Feile, Holz und Leim. Denn so eindrucksvoll das Barockmöbel mit seinen filigranen Intarsien und den floralen Mustern auch aussieht, der Zahn der Zeit hat deutliche Spuren hinterlassen.
“Kein Wunder”, erklärt Dietmar Hoyer, “gerade zentral beheizte Räume führen zu Trockenrissen. Holz schrumpft um bis zu zehn Prozent.”
Und besonders bei Möbeln aus dem Barock oder Biedermeier fanden mehrere Holzsorten gemeinsame Verwendung, die sich im Laufe der Zeit unterschiedlich stark verändert haben. Das so genannte Blindholz bildet den massiven Korpus, auf dem die kunstvollen Intarsien aus Furnier gearbeitet wurden.
Dabei stellt der Restaurator immer wieder regionale Unterschiede fest: “In Norddeutschland wurde als Blindholz eher Eiche verwandt und die Furniere waren aus Edelhölzern aus Übersee wie Mahagoni oder Palisander, während in Süddeutschland eher Tanne oder Fichte mit Obstholz-Furnieren wie Kirsche oder Birne verarbeitet wurden.” Und diesen kleinen Rissen im Furnier, man nennt sie Kürschner, rückt Dietmar Hoyer mit seinem Werkzeug auf den Leib – ganz vorsichtig natürlich. Denn “Substanzerhaltung ist das oberste Gebot!” Die Fehlstellen im Holz werden aufgefeilt, das Material wird ergänzt und zum Beispiel ein kleiner Holzkeil mit wasserlöslichem Knochen- oder Hautleim eingeleimt. Dann folgt der Schritt des Feinschliffs und der Homogenisierung. “Dabei arbeiten wir unter Erhaltung der Patina, die ja den individuellen Charakter eines jeden Möbels ausmacht”, erklärt der 43-jährige Holzexperte. Zum Abschluss wird die Oberfläche geglättet, gereinigt und neu aufpoliert. “Die Politur wird angefeuert”, benutzt Dietmar Hoyer den Fachausdruck. Dafür wird in Alkohol gelöster Schellack, ein Naturprodukt der Blattlaus, in eine mit einem Leinentuch ummantelte Wollsocke gegeben und mit kreisenden Bewegungen über das Möbel verteilt. Das gibt einen besonderen seidigen Glanz.
Was Kunden wünschen
Diesen Glanz haben auch die Biedermeiermöbel in der Ausstellung von Harald Schramm an der Bövemannstraße 13. Denn Dietmar Hoyer restauriert hier nicht nur Antiquitäten auf Kundenwunsch, sondern arbeitet auch Möbel für den Verkauf auf. “Diesen Biedermeierschrank habe ich restauriert”, auch seine Augen bekommen einen besonderen Glanz, wenn er über die seidige Oberfläche des wunderschönen Stückes streicht. Ein Lieblingsstück? “Besser nicht”, schmunzelt der Saerbecker, “denn ich müsste mich ja trennen, wenn es verkauft wird.”
Etwa 100 bis 200 Stunden reine Handarbeit stecken in jedem Stück. Und Dietmar Hoyer merkt man die Freude an, wenn er wieder ein Werkstück beendet hat und somit für die nächsten Generationen erhalten konnte. Die Liebe zum Material Holz bildete somit nach dem Abitur auch die Grundlage für seine Berufsentscheidung. “Ich wollte ins Handwerk”, blickt der zweifache Familienvater zurück: “Metall war mir zu kalt, Stein zu nass und Holz eben genau richtig.”
Holz beim Hobby
Einer Tischlerlehre und Gesellenjahre in Emsdetten folgten Erfahrungen im Innen- und Schiffsausbau in Ladbergen, bevor er sich zum Restaurator weiterbildete und vor rund zehn Jahren zu Schramm Restaurierungen und Antiken Möbeln nach Greven wechselte.
Selbst sein Hobby in der Freizeit hat mit Holz zu tun: Von der Geige und damit über die Klassik führte sein musikalischer Weg mit der Gitarre über den Hardrock zum Jazz. In vielen Bands hat er früher mitgespielt – jetzt spielt er gemeinsam mit seiner sechsjährigen Tochter Neele Sophie auf der Holzblockflöte.
Quelle: Gevener Zeitung | 22.11.2007 von Pia Weinekötter
URL: http://www.grevenerzeitung.de/lokales/greven/Gegen-den-Zahn-der-Zeit;art967,127090